Zittern zum ersten Heimsieg
von Gottfried Schalow
VfL-Torwart Rene Hartleib (mit Kopftuch) wehrt den Kopfball des Geraers Andre Hofer ab. (FOTO: RÖHRIG)
Halle (Saale)/MZ. Robin Huth fielen nach dem 93 gespielten Minuten im Stadion am Zoo drei treffende Worte ein. Diese drei Worte sagten alles über das Spiel am Sonntag: "Eine schwere Geburt." Dann strahlte er über das ganze Gesicht. Er wusste in diesem Moment: Es geht tatsächlich aufwärts mit dem VfL 96 in der Fußball-Oberliga. Zwar reichte es gegen den Tabellenletzten 1. FC Gera 03 nur zu einem 1:0. Aber es war der erste Heimsieg überhaupt in dieser Saison und - mehr als beeindruckend - der dritte Erfolg im dritten Spiel unter dem neuen Trainer Lars Holtmann.
Kampf und Arbeit waren die Schlüssel zum Erfolg. Die ganz einfachen Sachen waren gefragt bei einer Mannschaft, die noch vor drei Wochen völlig verunsichert war. "Die Kunst kommt später", versprach David Reich, der unmittelbar nach dem Schlusspfiff auf seinen Trainer zulief und ihn ausgiebig herzte. Damit ist dann auch das dritte Erfolgsgeheimnis genannt, Spieler und Trainer reden miteinander. Auf einer Wellenlänge, die jeder versteht.
Das war auch in der 28. Minute so, als Steve Braun das Tor des Tages erzielte - nach einem der wenigen konsequent zu Ende gespielten Angriffe. Reich und Georg Ströhl hatten mit genauen Vorlagen ihren gewichtigen Anteil daran. Alle drei reckten die Fäuste in die Luft, Holtmann an der Seitenlinie ebenso. Kein böses Wort fiel dann, als Braun unmittelbar vor der Pause die hundertprozentige Chance zum 2:0 ausließ.
Am besten aber ließ sich der Stimmungswechsel beim VfL durch die ausgiebigen Kontakte belegen, die Reich mit dem ständig an der Seitenlinie stehenden Holtmann zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte. "Das war gut! Du kannst es doch!", rief der Trainer seinem Spieler mit der Rückennummer 7 zu, obwohl der gerade an einem Abwehrspieler hängen geblieben war. "Versuch es mal mit Risiko", lautete Holtmanns nächste Anweisung nur wenige Minuten später. Reich grinste. Er hatte verstanden und folgte den Hinweisen. Der Freistoßspezialist beim VfL 96 zirkelte den Ball kunstvoll aus gut 20 Metern auf das Geraer Tor, traf aber nur den Pfosten. Holtmanns Reaktion: "Weiter geht's, probier es immer wieder."
Und so ging es weiter, fast jeden Spieler nahm sich der Trainer zu Extra-Anweisungen vor. Und er schickte zum Schluss seine Spieler in die Defensive. Gera drückte, gab nicht auf und versuchte unermüdlich alles. Vieles, was von den Thüringern kam, war ungefährlich, bieder und durchschaubar. Aber die Gefahr eines Glückstores und Unglücksgegentores, je nach Sicht des Betrachters, konnte ja beim Stand von nur 1:0 nicht ausgeschlossen werden. Also gab Holtmann unmissverständliche Anweisungen: "Konzentriert euch. Die Bälle werden zu billig hergegeben." Und Mathias Allert gab er bei seiner Einwechslung in der 87. Minute nur noch ein einziges, deutliches Wort mit auf den Weg: "Arbeite!"
Allert hatte begriffen. Gekämpft und gerackert hatte er in der verbliebenen Zeit, so wie alle 14 an diesem Tag eingesetzten VfL-Spieler auch. Und so war sie dann groß, die Freude über das 1:0 bei Holtmanns Heimpremiere. Endlich durften die Spieler wieder zur Ehrenrunde hin zu den 165 zahlenden Zuschauern antreten. Ein Gefühl, das schon abhanden gekommen schien, denn es ist schon lange her seit dem letzten Heimsieg. Ganz genau war es am 22. Mai. 1:0 hieß es damals gegen Germania Halberstadt durch einen Freistoß-Treffer von David Reich. "Es macht wieder Spaß mit dieser Mannschaft", sagte Reich dann auch am Sonntag, so als fühle er sich gerade an bessere Tage erinnert.
Und Robin Huth strich noch einmal die wichtigste Erkenntnis aus diesem Spiel und aus drei Wochen unter Trainer Holtmann heraus: "Die Kommunikation stimmt wieder." Und da war es tatsächlich schon fast nebensächlich, dass der VfL 96 mit dem knappsten aller denkbaren Ergebnisse gewonnen hatte. Dass es eben eine schwere Geburt war.
Quelle: http://www.mz-web.de
Direkter Link zum Artikel