von BengalOO » Sa 28. Jun 2008, 22:05
MZ-Artikel zur EM ... aus der Sicht der Theaterleitung:
Elf Schauspieler sollt ihr sein
Der Fußballplatz als Bühne: Was sagen Halles Theaterprofis zu unseren EM-Helden?
von Peter Godazgar,
Große Gesten: Für eine Inszenierung in Halles Oper haben sich bewährt (von links): Miroslav Klose mit präziser Choreographie, Luca Toni mit schönem Schmerz, Jogi Löw mit schickem Kostüm, Türkei-Trainer Fatih Terim als Dirigent und Philipp Lahm als Theater-Held schlechthin. (MZ-Foto: Thomas Meinicke, dpa (5), Montage: Ekkehard Vollmer)
Halle/MZ. Manche Dinge würde sich ein Autor gar nicht trauen. Zum Beispiel, seinen Helden im Fußballstück ausgerechnet Lahm nennen. Für Kulturinsel-Intendant Christoph Werner ist eben jener Philipp Lahm darum auch bester Darsteller der EM. "Weil er Lahm heißt und ganz schnell und ganz viel rennt." Und weil er im Halbfinale aus dramaturgischer Sicht alles richtig gemacht hat. "Erst hat er versagt, dann das entscheidende Tor geschossen."
Tolle Szene - und es gab ja noch viel mehr: Da konnte Klaus Froboese, der scheidende Opern-Intendanten, bisweilen fast schon neidisch werden. "Kloses Kopfball im Halbfinale war an choreografischer Präzision, Einfallsreichtum und Dramatik nicht zu übertreffen", urteilt er. Und wie ein türkischer Spieler dem deutschen Torwart Lehmann eine Zehntelsekunde früher den Ball weggespitzelt hat - "überraschender kann kein Opernfinale sein", so Froboeses Lob.
Schauspieler Hilmar Eichhorn - spätestens seit seinem Fußballtrainer-Solo "Leben bis Männer" als Fachmann ausgewiesen - sieht zwingende Parallelen zwischen Fußballplatz und Bühne: War nicht etwa beim Halbfinale deutlich zu sehen, wie groß die Rolle der Psyche ist? "Wenn ich eine Komödie spiele und keiner lacht, dann wird's schwierig", sagt Eichhorn. "Man verkrampft, und es wird immer schlimmer." Nicht anders war es bei den Deutschen. Fantastisch fand Eichhorn den türkischen Trainer: "Der dirigierte richtig, das war ja ein Karajan am Spielfeldrand."
Ein anderer Trainer, der deutsche nämlich, wusste stets in der Kategorie Kostüme zu überzeugen: Jogi Löws weiße, körperbetonte Hemden fanden jedenfalls bei Zuschauerinnen viel Anklang. Wobei, "weiße Hemden kommen ja immer gut", findet nt-Schauspielerin Danne Hoffmann. "Vor allem mit hochgekrempelten Ärmeln." Ihre Kollegin Marie Bretschneider zeigt sich vor allem von den Italienern beeindruckt: Wie die sich bei Fouls vor Schmerz krümmten und an Körperteile griffen, die gar nicht getroffen waren - "große Oper!"
Und das Turnier insgesamt? Intendant Werner fühlte sich an einen Hollywood-Film erinnert: "Sehr einfach, aber extrem wirkungsvoll." Und das deutsche Team als Hauptheld machte immer das, was der Zuschauer gerade nicht erwartete. Abwechslungsreich war's sowieso - allein das deutsche Team bediente quasi alle Genres, sagt Schauspieler Jonas Hien: Zweimal Drama in der zweiten und dritten Partie, ein Lustspiel in der Begegnung mit Portugal, schließlich ein Thriller gegen die Türkei. Fehlt am Sonntag bloß noch der Schmachtfetzen mit Happy End.
Glatt durchgefallen allerdings ist auch in diesem Jahr das Bühnenbild. Da fällt den Organisatoren seit ewigen Zeiten überhaupt nichts ein. Jedes Mal der immer gleiche grüne Rasen. Oder doch nicht? Nun, sagt Klaus Froboese, der kurzfristig ausgetauschte Rasen im Stadion von Basel erinnerte ihn immerhin "an ein Gemälde von Miró".
Karlsruhe ist blaurot!