von Gottfried Schalow
Lars Holtmann am Mittwoch bei seiner ersten Trainings-Ansprache an das Team (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
Halle (Saale)/MZ. Jugendlich frisch wirkt er mit seiner tief ins Gesicht gezogenen Mütze. Unverbraucht und geradeaus spricht er, unmissverständlich, auch schon mal ein Stück weit drastisch. Er weiß, was er will, so jedenfalls ist der erste Eindruck: Lars Holtmann ist seit Mittwoch punkt 18 Uhr neuer Trainer des Fußball-Oberligisten VfL 96. Eine mutige Entscheidung des Präsidiums, denn mit seinen 28 Jahren ist er kaum älter als die meisten Spieler.
Schon am Sonntag, unmittelbar nach dem peinlichen 2:2 im Meisterschaftsspiel gegen Gotha, wurde die Notbremse gezogen. Nach zwei trainingsfreien Tagen hat die Mannschaft am Mittwoch erfahren, dass Thomas Diedrich nicht mehr ihr Trainer ist. Alles hört jetzt auf Holtmann.
Der neue Mann an der Linie ist Psychologe und weiß offenbar genau, wie er die Mannschaft packen kann. "Die Zeit des Eierschaukelns ist vorbei. Ab sofort werden auch beim Training Schienbeinschützer getragen. Es gibt kein Verstecken mehr", waren seine ersten und zugleich ziemlich deutlichen Worte an die Mannschaft. Und zwei drohende Sätze folgten: "Wenn das nicht reicht, dann hängen wir eben noch ein bisschen Zeit an das normale Training dran. So lange, bis es jeder kapiert hat."
Das klingt so gar nicht nach Psychologie, schon gar nicht nach Feinfühligkeit. Eher nach Holzhammer. Aber Holtmann weiß offensichtlich genau, wo und vor allem wie er die Mannschaft zu packen hat. Holtmann gibt zu, dass er in dieser Saison nur drei Oberliga-Spiele gesehen hat, weil er fast immer zeitgleich als Trainer der zweiten Mannschaft gefordert war. Aber, was er in diesen drei Spielen gesehen hat, zuletzt eben am Sonntag gegen Gotha, reichte, um zu erkennen, woran es klemmt. "Die Spieler können viel mehr. Warum sie das auf dem Platz nicht zeigen, das werde ich herausfinden. Das ist meine dringlichste Aufgabe in den nächsten Tagen."
Das Präsidium hat sich seit Wochen die Frage gestellt, was mit der Mannschaft im Sommer passiert ist. Nach überragenden Spielen im Frühjahr, mit denen der kaum noch für möglich gehaltene Klassenerhalt geschafft wurde, kam der Bruch. "Es war plötzlich alles anders", berichtet Thilo Knade, der Abteilungsleiter Fußball beim VfL. Er gibt auch ein paar erhellende Details preis: In den vergangenen Wochen habe es viele Einzelgespräche mit unzufriedenen Spielern gegeben. Die Spieler hätten ihr Leid geklagt, dass sie plötzlich auf ganz anderen Positionen eingesetzt wurden als im Training besprochen und einstudiert. "Wir selbst haben uns über manche Aus- und Einwechslungen gewundert", sagt Knade. Er verweist aber auch auf die fehlende Motivation, weil es in dieser Saison keinen Absteiger aus der Oberliga gibt.
"Wir müssen uns wieder Ziele setzen", sagt auch VfL-Präsident Frank Sänger. Für Holtmann das Zeichen, an die Ehre eines jeden zu appellieren, Kampfgeist und Einsatz abzufordern, um nicht auch noch die letzten, treuen Fans zu vergraulen. Ganz von vorn also. Am besten schon am Wochenende im Landespokal bei Germania Olvenstedt.
So unausweichlich die Trainer-Notbremse beim VfL 96 war: Das Präsidium vergaß nicht, sich für die Arbeit von Thomas Diedrich zu bedanken. "Er hat seinen festen Platz in der Vereins-Chronik. Dafür, dass er im Frühjahr den fast sicheren Abstieg verhindert hat", sagt Sänger. Und so ganz trennen von Diedrich will man sich nicht. "Wir haben ihm das Angebot gemacht, künftig die A-Junioren Mannschaft zu trainieren." Diedrich scheint nicht abgeneigt, hat aber um ein paar Tage Bedenkzeit gebeten.
Lars Holtmann ist mit seinen 28 Jahren noch ein Neuling in der Trainer-Branche. Der neue Chef beim VfL 96 wurde in Osnabrück geboren und hat an der Sporthochschule in Köln studiert. Nach Halle kam er, um an der Martin-Luther-Universität das Studienfach angewandte Sportpsychologie zu belegen. Seit Februar 2011 hat er die zweite Mannschaft des VfL 96 betreut. In der Landesklasse, Staffel 6, hat er das Team bis auf Tabellenplatz vier geführt.
Quelle: http://www.mz-web.de
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