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18.09.11 (MZ) - Schwach, schwächer, VfL

BeitragVerfasst: Mo 19. Sep 2011, 09:55
von PerSempreVfL
Schwach, schwächer, VfL
von Michael Pietsch

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Wie ein begossener Pudel schleicht VfL-Abwehrspieler Stefan Karau nach der 1:6-Pleite gegen Aues Reserve vom Platz. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)

Halle (Saale)/MZ. Gestern Nachmittag, 15:13 Uhr im Stadion am Zoo: Noch drei Minuten haben die Fußballer des VfL Halle 96 durchzuhalten im Oberliga-Spiel gegen den FC Erzgebirge Aue II. Georg Ströhl steht nahe des Mittelkreises auf dem vom Dauerregen getränkten Spielfeld. Der VfL-Stürmer hat die Hände in die Hüfte gestemmt, sein Blick geht ins Leere. Man kann erahnen, was in seinem Kopf vorgeht: "Oh Gott, lass es endlich vorbei sein." Und wirklich. Schiedsrichter Michael Jäntsch aus Meiningen hat Erbarmen, beendet sogar wenige Sekunden vor dem Ablauf der Spielzeit den Alptraum für die 96er. Mit 1:6 sind sie untergegangen. Die Reserve-Elf aus dem Erzgebirge hat ihnen ein sportliches Desaster beschert, das nun sogar die Arbeit des Trainers in Frage stellt.

"Ich bin fassungslos", sagt Ströhl später. Dabei hätte er sich sogar freuen können, war ihm doch das erste Oberliga-Heimtor der Saison gelungen. Allerdings stand es da bereits 0:5. Es konnte nichts mehr daran ändern, dass der VfL weiter das Tabellenende ziert, weiter ohne Punktspielsieg dasteht.

Der VfL trat am Sonntag auf wie ein Absteiger. Nur: Den gibt es durch den wirtschaftlich bedingten Rückzug von Borea Dresden nicht. Und genau das hat Trainer Thomas Diedrich als eine Erklärung für den Einbruch ausgemacht. Er sagt: "Die meisten meiner Spieler standen vorige Saison permanent unter Druck. Jetzt ist das Ventil offen." Das hatte er schon nach der 1:2-Pleite der Vorwoche in Piesteritz gesagt. Einen weiteren Grund für das Versagen am Sonntag sah er in den "psychologisch ungünstigen Momenten der ersten beiden Gegentore" kurz vor und kurz nach der Pause. Da brach sein Team zusammen. Diedrich: "Nicht jeder kann in solchen Situationen den Schalter umlegen und sich trotzdem schinden."

Oder er will es nicht. Auf der Tribüne machte jedenfalls das Wort "Arbeitsverweigerung" die Runde. Torschütze Ströhl erklärte zwar: "Wir haben nicht gegen den Trainer gespielt." Doch was soll ein Spieler auch sagen? Die Vorstellung nach dem 0:3-Rückstand sprach eine andere Sprache. Die Mannschaft ergab sich ihrem Schicksal, ließ sich abschlachten. Da geriet sogar die große Chance von Stephan Neigenfink zum möglichen 1:2 (53. Minute) in Vergessenheit. Das "Was wäre wenn" half niemandem weiter.

Selbst Diedrichs Erklärungsversuche klangen eher hilflos, Licht am Ende des mentalen Tunnels schien er kurz nach dem Desaster nicht zu sehen.

VfL-Vizepräsident Volkmar Knoll atmete tief durch und erklärte dann auf die im Fußballgeschäft nur logische Frage: "Nein, eine Trainerdiskussion gibt es bei mir nicht. Ins Grübeln bringt mich auch diese Pleite nicht. Eher, dass mein Kind nachts schreit." Wie, um seinem Trainer den Rücken zu stärken, schob er nach: "Vor zwei Wochen, als wir den Regionalligisten Halberstadt aus dem Landespokal geworfen haben, war ja noch alles gut." Wobei das mit Blick auf die Tabelle der Oberliga sicher nur die halbe Wahrheit ist. Und jeder weiß: Treueschwüre von Klubverantwortlichen Richtung Trainer haben im Fußballgeschäft mitunter eine kurze Verfallszeit.

Für Montag, Mittwoch und Donnerstag hat Diedrich Training angesetzt. Dienstag ist frei. "Und am Freitag werden wir das Aue-Spiel aufarbeiten. Dann hatten meine Spieler genügend Zeit, in sich zu gehen." Wieviel Zeit ihm selbst bleibt, wird sich zeigen.

Quelle: http://www.mz-web.de
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