von Christoph Karpe

Stefan Karau (rechts) zieht im Kopfballduell mit dem Zwickauer Davy Frick den Kürzeren. (FOTO: FRANK KRUCZYNSKI; ANDREAS LÖFFLER (2)
ZWICKAU/MZ. Patrick Selle hockte still im Bus. Er befolgte die Vorgabe von Thomas Diedrich. Der Trainer des VfL Halle 96 hatte nach der 2:3-Niederlage beim FSV Zwickau auf der Rückfahrt nur eines von seinen Spielern verlangt: "In sich zu gehen, über das Spiel und die eigene Leistung nachzudenken." Selle hatte inmitten der allgemeinen Stille viel zu grübeln, vor allem über sich selbst. Unglücklich hatte er ausgesehen, mindestens. Und das in zwei entscheidenden Situationen, die den VfL am Sonntag wohl sogar den ersten Saison-Sieg in der Fußball-Oberliga gekostet haben.
Denn der schien greifbar, wieder einmal, wie in den zwei VfL-Gastspielen zuvor in Zwickau. Geschichte schien sich zu wiederholen. Wie schon beim 2:1-Sieg der Hallenser Ende April besorgte Georg Ströhl die Führung. In der siebten Minute profitierte er von einer Tändelei in der FSV-Hintermannschaft. Ein Abwehrspieler kickte ihm den Ball direkt an den Fuß. 0:1 stand es in der siebten Minute. In der 37. nahm Ströhl einen Diagonalpass auf, gewann noch einen Zweikampf und versenkte den Ball anschließend im Tor: 0:2. Die Kontertaktik der Gäste ging perfekt auf. Bis dahin - und auch noch bis zur 57. Minute.
Doch dann lief Selle unkoordiniert im eigenen Strafraum einem Gegenspieler in die Beine. Elfmeter. Torsten Ziegner verwandelte zum 1:2. Und als kurz nach dem eigenen Anstoß der Ball wieder verloren ging und Zwickau über die linke Seite, die von Selle, im Angriff war, patzte der Rechtsverteidiger erneut. Er klärte nicht, dabei hätte er den Ball nur irgendwohin in die Botanik des "Sojus"-Sportforums in Eckersbach dreschen müssen. Die Folge: 2:2 durch Jörg Laskowski.
Der VfL gab sich trotz der harten Landung aus hochfliegenden Sieghoffnungen keinesfalls auf. Schließlich hatte es im April nach dem Ausgleich noch kurz vor Schluss zum Siegtreffer gelangt. Doch der fiel diesmal für Zwickau. Beim Versuch zu klären wurde ein FSV-Spieler angeschossen. Den Abpraller versenkte Mike Baumann (84.) zum Siegtor für den Tabellenführer, der nun nach drei Spieltagen neun Punkte hat.
Die Bilanz des VfL, der bisher nur gegen Top-Teams gespielt hat - ist ernüchternd: drei Spiele, null Punkte. Und auch wenn das erste Erfolgserlebnis hergeschenkt wurde, stellte sich Diedrich schützend vor seine Spieler. Vor allem vor Selle. "Er ist derjenige, der am längsten von allen Spielern das VfL-Trikot trägt. Er weiß selbst am besten, was nicht so gut gelaufen ist und wird sich am meisten ärgern", sagte Diedrich. "Ich werde den Teufel tun und einen meiner Spieler öffentlich kritisieren." Am Montag soll es dann eine Auswertung anhand eines Videos geben. Intern, so deutete Diedrich an, werde er energischer zur Sache gegen.
Und da wird auch angesprochen, dass die verletzungsbedingte Auswechslung von David Quidzinski ein schwerer Schlag für das Defensiv-Konzept war. Weil der Sechser zur Pause in der Kabine bleiben musste, stellte Diedrich notgedrungen um. Ricky Wittke übernahm den Abräumer-Job vor der Abwehr. "Das hat er noch nicht oft gespielt. Natürlich mussten wir dann erst unsere Ordnung suchen", sagte der Trainer und sah darin einen "Knackpunkt". Auch Selle wurde davon ein Opfer.
Und auch weil er dies so einsortierte, gab sich der Coach trotz allen Ärgers über den Spielausgang gnädig. "Ich sehe lieber das Positive: Wir haben einem Aufstiegsfavoriten alles abverlangt, die ersten Saison-Tore erzielt und uns erneut gesteigert", sagte Diedrich. "Die Gegner, die wir schlagen müssen, kommen erst."
Am kommenden Sonntag empfängt der VfL die Zweite von Rot-Weiß Erfurt. Zählt Diedrich dieses Team dazu? RWE hat als Vierter auch noch eine weiße Weste. Auf jeden Fall sollte bis dahin die Video-Auswertung anschlagen. Dass Selle da zuschaut, scheint sicher.
Quelle: http://www.mz-web.de
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