Immer gleich zum Opa
von Gottfired Schalow
Georg Ströhl am Göbel-Brunnen auf dem Hallmarkt - ohne Ball. (FOTO: LÖFFLER)
Halle (Saale)/MZ. Im Stadion des VfL 96 Halle ist alles überschaubarer als anderswo. Das liegt daran, dass kaum mehr als 150 Zuschauer zu den Heimspielen kommen. Auch jetzt nicht, da der Verein an einem kleinen Fußball-Wunder schreibt. Aus dem fast sicheren Absteiger, der mutlos und glücklos durch die Oberliga taumelte, wurde eine verschworene Truppe. Mit einem Sieg am Sonnabend im Heimspiel gegen Gotha "wäre der Klassenerhalt fast perfekt", sagt Georg Ströhl, der 23 Jahre alte Stürmer, der am letzten Freitag beim 2:1 in Zwickau eines der wichtigsten Tore seines Fußballer-Lebens machte.
Egal, wie das Spiel am Sonnabend ausgeht, die Bilder danach werden wieder die gleichen sein. Georg Ströhl wird ganz nah an den Zuschauerrängen mit dem Vater und dem Opa diskutieren. Das gehört sich so. "Sie haben mich für den Fußball begeistert, sie sind meine treuesten Fans, sie kommen zu jedem Heimspiel. Egal, ob es brütendheiß oder bitterkalt ist." Und die VfL-Fans sind live dabei, wenn Ströhls über Fußball reden. Es ist alles überschaubarer als anderswo.
"Klar, ich würde mir schon wünschen, dass mal ein paar mehr Zuschauer kommen. Gerade jetzt, wo es so gut läuft und wir noch jede Menge Unterstützung brauchen, um die letzten fehlenden Punkte zu holen." Aber Ströhl schätzt auch die familiäre Atmosphäre im Stadion. "Jeder kennt jeden. Jeder kann mit jedem ein Bierchen trinken. Alles bleibt friedlich, das ist doch auch eine ganze Menge."
Georg Ströhl ist froh, dass er nun schon das dritte Jahr beim VfL 96 spielt. "Die Entscheidung war ein Volltreffer, den ich keinen Tag bereut habe. Hier will ich noch viele Jahre spielen." Zuvor war Ströhl 13 Jahre beim HFC, von der Jugend bis zur ersten Männermannschaft. Dann ging es nicht mehr so richtig weiter und es folgten der logische Schritt zum VfL und die Konzentration auf die Ausbildung zum Industriekaufmann. Dass trotz der gegenwärtigen Hochstimmung Wünsche offen blieben, lag vor allem an einer unglaublichen Verletzungsserie. "Bis auf den Oberschenkel war alles schon mehr oder weniger schwer lädiert. Ans Aufgeben habe ich trotzdem nie gedacht. Und ich habe noch nie aus Angst vor neuen Verletzungen im Zweikampf zurückgezogen." Für diesen Mut hat sich Ströhl inzwischen selbst belohnt.
Der Aufschwung beim VfL hat viel mit dem neuen Trainer Thomas Diedrich zu tun. "Seitdem reden wir mehr miteinander, unternehmen viel gemeinsam", sagt Ströhl. Noch lange nach dem Training sitzen die Spieler oft zusammen, treffen sich abends gemeinsam mit dem Trainer vor dem Fernseher, um großen Fußball zu schauen. Barcelona, Bayern, Schalke. Und dann hat er in diesem Frühjahr noch etwas gelernt: Pokern. "In der ersten Runde meines Lebens habe ich sogar gewonnen", behauptet er. Das Glück im Kartenspiel ist nicht nachprüfbar, wohl aber, dass Ströhl seit geraumer Zeit viel gelassener und kaltschnäuziger vor dem Tor des Gegners ist. Das vor allem zählt, es ist nachprüfbar am aktuellen Tabellenstand des VfL 96.
Quelle: http://www.mz-web.de
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