von DuXter » So 24. Apr 2011, 01:26
hmmm.... nach den teils kontroversen Disskusionen im VL nach dem Film wundert es mich fast, dass noch niemand ein Wort drüber verloren hat....
Im Gegensatz zu perSempre, hab ich mir im Vorfeld keine Film-Kritiken in Pauli- und USP-Foren durchgelesen und bin dadurch mit recht hohen Erwartungen an den Abend herangegangen, auch da ich das Erstlingswerk des regisseurs "Chaostage" bereits vor einiger Zeit gesehen und für sehr gut befunden habe.
Leider wurden diese Erwartungen nicht erfüllt.
Natürlich ist das ein Film, den man mit "Gleichgesinnten" im VL auf einer unbequemen Holzbank sehen muss, anstatt umzingelt von Provinz-Filmkritikern und den üblichen Programm-Kinogängern im LUX.... Noch spannender: Der Regisseur Tarek Ehlail war auch anwesend, um zu erleben wie sein Film "an der Basis" ankommt... doch das Publikum hatte zu 80% nix mit dem FCSP am Hut und war nur wegen dem anschliessenden Egotronic-Konzert gekommen... dümmliche Kommentare und eine merkwürdige Athmosphäre waren das Resultat... ich hab ja nix gegen Elektroniker, aber minderjährige Mädels, die sich nur um ihre Frisur kümmern, finde ich im VL doch recht befremdlich... ("Dann setz dich doch auf'n Boden" - "Nee, das kannste nich bring'n...")
Soviel dazu - die äußeren Rahmenbedingungen abgehakt - nun zum Film.
Das Größte Manko an einem Film, der verspricht über "das Besondere" am FC St. Pauli zu berichten, die Emotion und die Leidenschaft am Fan-Dasein zu zeigen, kann nur eines sein: Er tut es leider nicht.
Die interessante Machart, sich nur auf die (fiktiven) Ereignisse am Tag des Aufstiegs zu konzentrieren, wird durch eine störende Rahmenhandlung gebrochen, die die aktuelle Gentrifizierung im Stadtteil kritisiert (Moritz Bleibtreu spielt klasse, aber leider ist sein ganzer Plott irgendwie überflüssig).
Die besondere Bedeutung des Vereins für die Bevölkerung des Stadtteils bleibt dabei unerzählt, genauso wie die Vergangenheit der zwei "Ultras" die von einem Möchtegern-Filmemacher begleitet werden. Die Hintergründe, warum die Beiden zum Verein kamen, warum ihre Liebe so abgrundtief groß ist, dass man für das Aufstiegsspiel persönliche Differenzen fast ausblendet, das Leiden in den untiefen der Regionalliga und 2. Bl.,... alldas vermisst man schmerzlich, genauso wie den "Ausnahmezustand" der an diesem Tag in der ganzen Stadt geherrscht haben muss.
Ebenso unerklärt bleibt die Entwicklung des Polizeichefs vom ehemaligen jugendlichen Atomkraftgegner an der Seite von Claude-Oliver Rudolph zum rechtsoffenen Zecken-hassenden Gesetzeshüter, der dennoch (evtl. der Tarnung wegen!?) nen Pauli-Wimpel am Rückspiegel hat und sich wärend einer Autofahrt zum Einsatz mit lautem Punkrock aufputscht. Ist er nun ein übergeschnappter Narzisst, der seine Machtposition entsprechend ausnutzt, oder beherbergt er doch noch anarchistische Wesenszüge aus seiner Vergangenheit (demolieren des autos, dass ihn zugeparkt hat) in sich!? ...der Charakter dieser Figur ist leider viel zu undeutlich gezeichnet... bläst er am Ende sogar nur zur Polizeigewalt gegen die Pauli-Fans, weil er etwas von der Affaire seiner Frau ahnt?
Was die Affaire von Claude-Oliver Rudolph mit der Vollbusigen Frau seines Jugendfreundes ansonsten in dem Film zu suchen haben könnte, hat sich mir nicht erschlossen. Dafür war die Szene, in der er als Doktor einen offensichtlich gesunden Pauli-Fan am Tag des Aufstiegsspiels krankschreibt, um sich danach mit ihm an der Imbiss-Bude zum Spiel zu treffen, ein schönes Beispiel für den "Zusammenhalt einer Fanszene". Besondere Ereignisse, wie ein Aufstiegsspiel, erfordern es eben auch mal die eigenen Regeln und Grundsätze über Bord zu werfen ;o)
Allerdings sind das auch nur Szenen und Geschichten, die warscheinlich jeder größere Club für sich beanspruchen kann.
Die Traurige Wahrheit: Der Verein ist in diesem Film nicht "Hauptdarsteller" sondern nur schmückendes Beiwerk, kann warscheinlich sogar komplett ersetzt werden. Die Geschichten, die im Film erzählt werden, würden auch mit jedem anderen "Kultclub" funktionieren, wie z.B. Union Berlin, nach dem Aufstieg in die 2. Bl. oder zum Derby gegen Hertha.
Nichts desto trotz besticht der Film durch einen geilen Soundtrack, starke, wunderschöne Bilder (Das Konzert im "Jolly Rogers", Der Traum des "Brandstifters" am Anfang) teilweise sehr liebevoll ausgewählt und gestaltete Drehorte, einen skurilen "Moderator" mit provozierenden Thesen und vielen kleinen, netten Witzen und Details. Die unterschiedlichen Handlungsstränge sind geschickt miteinander verbunden und teilweise auch recht spannend und gut geschrieben.
Am Ende wird der Zuschauer mit der polarisierenden Behauptung "Jeder Einzelne aus der großen Masse sei austauschbar" entlassen, wärend zum Abspann eine herzergreifende Version von "You'll never walk alone" intoniert wird. Schönes Fazit, schöner Schluß.
Trotzdem reicht es nicht für einen Platz in meiner DVD-Sammlung....
und vergessen hab ich sicherlich auch mindestens die Hälfte.
9. 11. 1996 - VfL Halle 96 vs. Dresdner SC 3:1 ...und die Leidenschaft begann!
Vodka-Freunde Leipzig
Leipzig ist BLAU-ROT !!!