» Meister der Schmerzen «
von Anja Rützel (FTD)
So also fühlt sich soziale Kälte an. Beim Bäcker wird man von fremden Männern angepöbelt, wenn beim Bezahlen ihr Blick auf die Geldbörse mit dem Mitgliedsausweis fällt. Rotzgören kleben einem in der U-Bahn Kaugummi ins Haar. Die eigene Mutter wendet sich ab. Alles nur, weil man schon wieder Deutscher Meister wird.
Die Freunde sind schon lang auf Distanz gegangen, damals, als man in den Verein eintrat. Zuerst waren sie dankbar, fortan leichtes Spiel an Geburtstagen und Weihnachten zu haben, und schenkten hastig Handtücher, Eierbecher und Lippenpflegestifte mit dem Vereinslogo.
Blankes Entsetzen dann, als man bei der WM zum Public Viewing mit einer Fahne erschien, auf die in mühevoller Handarbeit das Gesicht Oliver Kahns sowie die nachvollziehbare Forderung "Lehmann raus" appliziert war. Das soziale Ende.
Dass Erfolg einsam macht, hatte man gehört, es aber mangels eigener Erfahrung als verweichlichtes Gejammer abgetan. Aber dann: Diese schrecklich erfolgreiche Saison, die dauernde Tabellenführung, diese wunderschönen Tore, dieser wunderschöne Torjäger, die prächtige Jahreshauptversammlung mit dem rotköpfigsten Manager weit und breit. Klar, dass andere da vor Neid platzen wie unsachgemäß gegrillte Rostbratwürstchen.
Alle hassen einen. Es ist herrlich. Erhobenen Hauptes geht man durch die Straßen, während einem aus der Gosse die Unflätigkeiten entgegenschallen. Darum bitte Schluss mit Underdog-gequatsche und St.-Pauli-Getue: Wahrhaftig Punk ist es, in diesen schweren Tagen Fan von Bayern München zu sein."
