1:2-Pleite, Rote Karte, Tumulte: FC Sachsen verliert gegen Halle und nähert sich Abstiegszone
Steffen Enigk
Der Anfang vom Ende: Torwart Daniel Richter lässt einen harmlosen Schuss zum 0:1 durchrutschen - nach einem Schnitzer von Florian Felke (Nr. 7). (Foto: Ines Christ)
Leipzig. Am Ende eines rabenschwarzen Nachmittags verloren sie nicht nur die Punkte, sondern auch noch die Nerven und Benjamin Schmidt. Der Leutzscher Mittelfeldmann mähte den Hallenser David Quidzinski mit mehreren Metern Anlauf brutal um (90.), sah für das Frustfoul zwangsläufig Rot. Tumulte folgten, Mannschaftsleiter Harald Döring wurde gegen den verbal ausrastenden VfL-Trainer Thomas Diedrich handgreiflich, einige Sachsen-Fans kletterten über den Zaun, attackierten Gästespieler und Schiri Oliver Lossius (Sondershausen), mussten von Ordnern abgeführt werden.
"Eine Schande", meinte der konsternierte FCS-Chef Uwe Seemann und kommentierte die unglückliche 1:2 (1:1)-Niederlage mit den Worten: "Die Lage wird immer prekärer, wir müssen über vieles reden, jetzt aber auch Ruhe bewahren." Seemann hatte die Partie gegen den Oberliga-Drittletzten zum "Schlüsselspiel" ausgerufen, ein Signal an Sponsoren und Fans gefordert, finanzielle Probleme eingestanden.
Die zeigten sich schon vor dem Anpfiff. Erstmals gab es kein Programmheft, Insolvenzverwalter Heiko Kratz hatte das offenbar zu teure Blatt mangels Nachfrage (wiederholt wurden 500 gedruckt und nur 200 verkauft) kurzerhand gestrichen. Gestern kamen nur 977 Zuschauer in den Kunze-Sportpark, und sie gingen wieder einmal enttäuscht nach Hause.
Seit acht Spielen ist das Team nun ohne Sieg, nähert sich bedrohlich der Abstiegszone. "Die Tabelle lügt nicht", sagte Kapitän Kevin Kittler, "wir haben gegen einen Mitkonkurrenten drei Zähler verschenkt, und wenn wir nicht schnell die Leutzscher Tugenden auspacken, kann es eng werden."
Bittere Ironie I: Ausgerechnet der frühere Sachsen-Kicker Stephan Neigenfink, im Vorjahr noch Derby-Held gegen RB, erzielte beide Tore für Halle (20., 61.), verkniff sich aber lauten Jubel. "Ich hatte eine schöne Saison in Leutzsch, und ich glaube auch nicht, dass die Sachsen absteigen, dazu haben sie zu viel Qualität."
Bittere Ironie II: FCS-Keeper Daniel Richter, einst sechs Jahre im Tor des VfL und gestern Vertreter des verletzten Felix Weiß, stand beim 0:1 Pate, ließ einen Kullerball durchrutschen.
Bittere Ironie III: Die Gastgeber waren über weite Strecken klar besser, kombinierten ordentlich bis druckvoll, vergaben aber ein halbes Dutzend Großchancen kläglich oder scheiterten am Pfosten (Matthias von der Weth, 29.) und mehrfach an Verteidigern, die auf der Linie retteten.
"Wir machen zu wenig aus unserer Überlegenheit und hinten zu viele Fehler", stöhnte Daniel Heinze, der mit straffem Fernschuss den Ausgleich markiert hatte (25.). Trainer Dirk Heyne, grau im Gesicht, musste so zum gefühlten 15. Mal in dieser Saison das Gleiche kritisieren: "Absolut vermeidbare Gegentore, schlampige letzte Pässe, mangelnde Konsequenz im Strafraum, fehlendes Stürmerblut."
Dass seine Jungs nach dem 1:2 keine Antwort mehr fanden, immer hilfloser wurden, bereitet dem Coach ernsthaft Sorgen: "Die Mannschaft kriegt das Flattern, das müssen wir abstellen." Dass Schmidt, dem eine längere Sperre droht, mit seiner Blutgrätsche dem Team geschadet habe, sagte Heyne auch noch. Mit der beinahe zynischen Ergänzung: "Das Foul war ein Spiegelbild unserer Spielweise - überhastet und sinnlos."
Quelle: http://www.lvz-online.de
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