20.09.2010 (MZ-Web) - Ströhl besiegt die Angst

20.09.2010 (MZ-Web) - Ströhl besiegt die Angst

Beitragvon BengalOO » So 19. Sep 2010, 22:43

Ströhl besiegt die Angst
VON GOTTFRIED SCHALOW

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Halles Torwart Rene Hartleib (rechts) hielt den VfL mit großartigen Paraden im Spiel. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)

HALLE/MZ. Auch 196 Zuschauer können eine Menge Krach machen. Wenn auch mit Verzögerung. Als Sonntag um 15.34 Uhr im Stadion am Zoo das erlösende dritte Tor für den VfL 96 fiel, passierte nämlich erst einmal gar nichts außer einem schon fast erschrockenen Blick zum Nebenmann. Eine Rückversicherung war erst einmal angeraten, ist denn tatsächlich wahr, was man eben mit eigenen Augen gesehen hat? Dann, als nichts mehr falsch gemacht werden konnte: der richtig laute Jubel. Georg Ströhl, der 22 Jahre alte, unverzichtbare VfL-Stürmer, hatte ein völlig verrücktes Fußballspiel gedreht. David Reich setzte vier Minuten später noch einen drauf zum 4:2-Endstand gegen die Zweite des Chemnitzer FC. Es war der erster Sieg des VfL in dieser Saison. "Gottseidank", viel mehr fiel Ströhl Minuten nach dem Schlusspfiff zu dieser glücklichen Wendung nicht ein.

Dabei hätte an diesem sonnigen Nachmittag alles ganz anders und vor allem nervenschonender über die Bühne gehen können. Kapitän Christian Sund traf schon nach fünf Minuten zum ersten Mal mit einem Kopfball, der Chemnitz-Torwart Stefan Schmidt noch durch die Hände rutschte. Drei Minuten später fiel sogar das 2:0 durch Stephan Neigenfinks trockenen Schuss von der Strafraumgrenze. Plötzlich aber wurde die Sportart vergessen. Die VfLer stellten das Fußballspielen ein und versuchten sich als Duckmäuser. Bei fast jedem Zweikampf wurden die Köpfe ein- und die Füße zurückgezogen. Und wenn sich der Kontakt mit dem Ball nun wirklich nicht mehr vermeiden ließ, dann landete er prompt und zuverlässig beim Gegner in der himmelblauen Spielkleidung.

Einzig Rene Hartleib, dem VfL-Torwart, war es verdanken, dass es zur Pause nur 2:2 und nicht 2:6 oder 2:7 stand. Zum verrückten Spiel passte der Elfmeter für Chemnitz in der 34. Minute. Erst parierte Hartleib prächtig gegen Marc Benduhn, dann musste er tatenlos zusehen, wie der Chemnitzer im Nachsetzen den Ball zum Ausgleich über die Linie stolperte. Auch, weil seine Verteidigerkollegen regelrecht Angst hatten, selbst an den Ball zu treten.

52 Minuten lang musste sich Georg Ströhl das alles von der Bank mit wachsendem Entsetzen ansehen. Dann gab er das Zeichen, dass er unbedingt auf den Platz wollte. Und prompt, praktisch von einer Minute auf die andere, drehte sich das Spiel wieder. "Es gibt eben solche Fußballspiele, die kann man hinterher niemandem erklären. Die begreift man ja selbst nicht", sagte der späte Retter. Warum er erst so spät kam? "Ich habe einfach noch keine Kraft für 90 Minuten. Ich will auch nichts riskieren und meine zahlreichen Verletzungen am Knie und an den Zehen erst richtig auskurieren", sagte Ströhl und strahlte. "Jetzt wird gefeiert. Jetzt muss doch eigentlich alles besser werden."

Gleich neben Ströhl stand Jörg Emmerich, der das Spiel genauso wenig verstanden hatte. Und das will was heißen, denn der ist 14 Jahre älter und hat im Fußball schon so ziemlich alles erlebt. 1997 und 1999 gewann er mit dem VfL 96 zwei Mal den Sachsen-Anhalt-Pokal, danach spielte er zweite Bundesliga in Aue, jetzt lässt er seine Karriere in Chemnitz ausklingen. "Die ersten zehn Minuten haben wir noch im Bus gesessen, die letzte Viertelstunde waren wir dann schon auf der Heimfahrt. Nicht zu begreifen."


Quelle: http://www.mz-web.de
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