VON CHRISTOPH KARPE,
David Reich (links/hier im Trainingsduell mit Martin Wehlert) will
einen Stammplatz beim VfL 96. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
HALLE/MZ. Die zwei Steppkes, so um die sechs Jahre alt, plärren sich auf der Tribüne die Kehle heißer: "Gib mir ein V, gib mir ein F, gib mir ein L - VfL!" schallt es. Den Schlachtruf gibt es gleich mehrmals. Die Jung-Fans haben offensichtlich Spaß daran, mal ohne Schelte die Lautesten sein zu dürfen. Drei ältere Herren sitzen daneben, lächeln nachsichtig und schauen wie die phonstark vereinsliebenden Kinder auf den Rasen. Dort lässt Trainer Torsten Weber üben. Flanken haben seine Fußballer heute zu schlagen. Auf den langen Pfosten - lautet die Vorgabe. Gelingt dies nicht, macht er sich mit einem lauten "Stopp!" bemerkbar. Während des Stillstands gibt's die Fehleranalyse. Weiter geht's. Danach noch ein temporeiches Spielchen. Trainingsalltag beim Fußball-Oberligisten VfL Halle 96.
Mit zwei Unentschieden ist die Weber-Elf in die Saison gestartet: jeweils 1:1 gegen Aue II und davor gegen Luckenwalde. Die Spiele waren keine ruhmreichen, so lala eben. Am Sonntag (14 Uhr) wird es haarig. Da geht es zu Dynamo Dresden II, einer spielstarken Truppe, in die zuletzt auch der ehemalige Bundesliga-Profi Maik Wagefeld aus der Ersten versetzt worden war. Coach Weber hat die Dynamo-Mannschaft beobachten lassen. "Die sind gut. Für uns wird's schwer", glaubt er.
Nichtsdestotrotz heißt es: Bangemachen gilt nicht. "Wir brauchten doch gar nicht losfahren, wenn wir nicht drei Punkte wollten", sagt David Reich, der sechste und letzte Neue im Weber-Team, forsch. Beinahe still und heimlich ist seine Verpflichtung Anfang August über die Bühne gegangen. Gegen Aue wurde er schon eingewechselt. Jetzt kämpft er um einen Stammplatz - obwohl er sich selbst "erst bei 70 Prozent" sieht.
Der Rückstand des Wunschspielers von Trainer Weber hat Gründe. Beim VfB Pößneck, dem Oberliga-Absteiger, bei dem Reich zuletzt gespielt hat, gab es drei Monate lang kein Geld. Die Spieler bestreikten das Training. Zuletzt kostete eine Verletzung zusätzlich Fitness - und dann verzögerte sich das Ja des VfL-Präsidiums zum Transfer. Mit Weber war sich Reich, der bis 2006 für den Halleschen FC gekickt hatte, bereits nach einem Gespräch Anfang Mai am Rande des Punktspiels einig. "Halle hat ein gutes Fußball-Umfeld und liegt nahe an meiner Heimatstadt Leipzig", sagt David Reich darüber, warum er an die Saale zurück wollte. "Wenn er richtig in Schwung ist, wird er uns hundertprozentig helfen", sagt Weber über den Mann, der gerade einen Job in der Tourismus-Branche sucht, weil der VfL 96 ja keine Profis beschäftigen kann - bei nur 250 000 Euro Etat verständlich. "Bei uns gibt es nur Amateure", betont Weber.
Auch wenn das Geld knapp, der VfL nicht gerade ein Publikumsmagnet und sicherlich kein Spitzenteam der Liga ist, sieht Reich hier eine sportliche Chance. "Natürlich möchte ich auf mich aufmerksam machen. Vielleicht sitzt ja mal ein Beobachter auf der Tribüne, der mich zu einem höherklassigen Verein holen will", sagt Reich über seine privaten sportlichen Ambitionen. Weber unterstützt diese generell: "Ich finde es gut, wenn wir Spieler weiter entwickeln, die dann anderswo eine gute Rolle spielen können", sagt der Trainer.
Weber selbst "bleibt lieber bodenständig". Eventuell zu einem anderen Klub zu wechseln, steht für den Lehrer (in Halle-Neustadt) nicht zur Debatte. Auch finanziell wäre das Risiko zu groß. Außerdem hat er schon 1974 als Jugendlicher am Zoo gekickt. Ob er da auf der Tribüne VfL-Schlachtrufe gebrüllt hat, ist allerdings nicht bekannt.
Quelle: http://www.mz-web.de
Direkter Link zum Artikel
