08.06.2010 (MZ-Web) - Abschied von den großen Sprüngen

08.06.2010 (MZ-Web) - Abschied von den großen Sprüngen

Beitragvon BengalOO » Mo 7. Jun 2010, 21:47

Abschied von den großen Sprüngen
VON MICHAEL PIETSCH,

Bild
Allzu große Sprünge werden für Georg Ströhl
und seine VfL-Teamgefährten aus Etatgründen
auch künftig nicht möglich sein. (FOTO: MZ)


HALLE/MZ. Eigentlich hatte Tobias Cramer am Montag ganz andere Dinge im Kopf als Fußball. Nicht einmal die bevorstehende WM spielte wirklich eine Rolle. "Ich bereite mich gerade auf den Mallorca-Urlaub vor. Am Sonntag fliege ich mit zwei Freunden hin", sagte der Mittelfeldspieler des Oberligisten VfL 96. Und doch wurde seine Vorfreude am Montag durch den Fußball etwas in den Hintergrund gedrückt. Grund: VfL-Vizepräsident Karsten Slansky hatte erklärt, dass die 96er und Cramer in der kommenden Saison getrennte Wege gehen. Bei den Verhandlungen zur Vertragsverlängerung sei man nicht überein gekommen.

"Klar stimmen aus meiner Warte die Konditionen noch nicht. Ich warte aber noch auf eine klare Aussage des Vereins", sagte der 22-Jährige. "Ich möchte gern beim VfL bleiben. Möglicherweise reden wir etwas aneinander vorbei."

Es sind Episoden wie diese, die offenbaren, dass professioneller Anspruch und Realität beim Verein vom Zoo mitunter noch deutlich auseinanderklaffen. Einerseits ist der VfL im Fußball, in der Sportart Nummer eins, klar etabliert als zweite Kraft hinter dem HFC. Das Team erfüllte als Aufsteiger sein Saisonziel, den Klassenerhalt, vorzeitig. Vor allem dank einer starken Hinrunde. Mit Siegen über die Reserve-Teams von Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena oder über den 1. FC Lok Leipzig erkämpfte sich die Elf von Trainer Torsten Weber den Respekt der Konkurrenz. Selbst bei den 0:2-Niederlagen gegen Überflieger RB Leipzig verkauften sich die Trothaer respektabel. Dass ihnen am Ende angesichts vieler englischer Wochen die Luft ausging, überraschte kaum.

Doch Nummer zwei hin oder her: Der Abstand zum HFC ist enorm. Die Grenzen zeigten sich vor allem in der Winterpause durch "die Bedingungen, unter denen die Spieler trainieren mussten", sagt Slansky. Zu wenig Hallenzeiten, kein Kunstrasenplatz - die VfLer mussten nach Lüttchendorf oder Farnstädt ausweichen.

Dem Klub-Vize ist klar: "Wenn du Oberliga spielst, musst du logistisch und vor allem finanziell dafür auch tauglich sein." Mit einem Etat von etwa 200 000 Euro für die erste Mannschaft rangierte der VfL 96 im unteren Drittel der Tabelle. Große Sprünge waren nicht drin, eine Steigerung der Einnahmen angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation im Raum Halle ist illusorisch. Träumereien kühner Optimisten selbst im Präsidium erteilt Slansky, der als Inhaber des Sportgeschäfts "Sport-Olymp" selbst ein Unternehmen führt, eine deutliche Absage. "Die Oberliga ist das Maximum, was wir stemmen können. Dort müssen wir uns etablieren. Wohin es führt, wenn man den Boden unter den Füßen verliert, sehen wir momentan bei Hansa Rostock." Ein Abschied an den Traum von ganz großen Sprüngen. Erfolge wie die Saison in der dritten Liga von 1999 / 2000 und die Landespokalsiege von 1997 und 1999 bleiben damit erst einmal Erinnerung.

Ein offensichtliches Problem ist der magere Zuschauerzuspruch. Im Schnitt kamen gerade einmal 300 Fans zu den Heimspielen. Eine Orientierung am HFC, der durchschnittlich 2 500 Zuschauer anzieht, wäre damit vermessen. Und mehr noch: "In der halleschen Sportlandschaft sind wir bestenfalls Mittelmaß." Selbst die Saale-Bulls im Eishockey ziehen rund 2 000 Fans an.

Dennoch bewegt sich beim VfL 96 etwas. Zumindest infrastrukturell. Nach der vollständigen Sanierung des Kabinentraktes soll Anfang 2011 mit dem Bau eines Kunstrasenplatzes begonnen werden. Die Lotto-Mittel sind zugesagt. Komplizierter sieht es an der Personalfront aus: Zwar bleibt der größte Teil des Teams dem VfL treu, und nur Marcus Bäcker (Halberstadt), Sebastian Heidel, Marciano Voufack (beide unbekannt) und Torsten Lehmann (Sandersdorf) verlassen den Klub. Doch Zugänge sind bislang Fehlanzeige. "Wir verhandeln mit sechs Spielern", sagt Karsten Slansky. Und vielleicht bleibt ihm ja auch Tobias Cramer erhalten.


Quelle: http://www.mz-web.de
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