660 Sekunden pures Wechselbad
Beim Auftakt des VfL Halle sehen die Zuschauer in elf Minuten drei Tore
VON MICHAEL PIETSCH,
VfL-Stürmer Tobias Cramer (2. von rechts) wird hart von den Geraern
Gegenspielern attackiert. Stefan Maruhn (links) schaut zu. (FOTO: HEINE)
HALLE/MZ. Irgendwie schien beim ersten Auftritt des VfL Halle 96 in der Fußball-Oberliga alles schiefzugehen. Erst erschien die Erstausgabe des neuen Programmheftes "Blau-Rote Spielpost" vor der Partie gegen den 1. FC Gera wegen technischer Probleme beim Druck ohne Titelseite. Dann verletzte sich beim Abschluss-Training mit Vladimir Penev ausgerechnet der Torjäger der Vorsaison am Knöchel - zwei Wochen muss er mindestens pausieren. Dass die Anzeigetafel im "HWG-Stadion am Zoo" Sonntag streikte und auch nach dem 2:2 (0:1) ein 0:0 anzeigte, passte ins Bild. Und als in der 70. Minute Tobias Cramer mit seinem schwach geschossenen Handelfmeter an Geras Torwart Norman Wohlfeld scheiterte, vermutete mancher der VfL-Fans unter den 330 Zuschauern eine Verschwörung.
Doch nach dem Schlusspfiff der nicht immer sicheren Schiedsrichterin Daniela Schneider atmeten Spieler, Trainer und Anhänger des Oberliga-Neulings auf. "Mit Leidenschaft, großer Moral und unserem guten physischen Zustand haben wir verdient unseren ersten Punkt geholt. Eigentlich wollte ich aber alle drei Zähler sehen", sagte Trainer Torsten Weber.
Nach einer Stunde Spielzeit war er durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. In der 64. Minute egalisierte Sebastian Heidel die frühe Geraer Führung (3.). Er köpfte nach einem Eckball ein - die letzte Amtshandlung des Ex-Jenaers, denn direkt danach wurde er wie geplant ausgewechselt. Durch einen Patzer von Torwart Daniel Richter gingen die Gäste fünf Minuten später erneut in Front (Marc Janke / 69.). Und jetzt ging es Schlag auf Schlag. Nach einem Handspiel des Geraers Sebastian Barich auf der Torlinie und der Roten Karte (73.) brachte Cramer den Elfmeter nicht im Tor unter (74.). Doch selbst dies vermochte die Moral der 96er nicht zu brechen.
Nur eine Minute später, zehn Minuten nach seiner Einwechslung, zog Stefan Maruhn von der Strafraumgrenze ab, und sein abgefälschter Schuß trudelte ins Netz. "Wenn das kein Einstand ist. Bei der dritten Ballberührung gleich ein Tor", freute sich der Schütze. "Dieser Teilerfolg ist sehr wertvoll. Ich bin sicher, dass wir in die Oberliga hineinwachsen."
Dabei hatte sich anfangs gezeigt, dass die Hallenser den routinierten Ostthüringern spielerisch nicht das Wasser reichen konnten. Die große Nervosität der jungen VfL-Spieler verhinderte in der ersten Halbzeit lange einen geordneten Aufbau. Zudem warf das frühe Gegentor, als Geras Ronny Scholze nach einem Eckball die heillose Verwirrung in der halleschen Hintermannschaft nutzte, das taktische Konzept durcheinander. Nur wenn Cramer einmal anruckte, entstand Gefahr für den Gegner. Sein Sturmpartner Heidel wirkte unbeweglich, zudem kam von den Außenpositionen zu wenig Konstruktives. Torwart Richter bewahrte sein Team gegen Max Doerlitz vor einem größeren Rückstand (23.). Von Oberliga-Reife waren die 96er da weit entfernt.
Aufregend begann die zweite Halbzeit. Zunächst stand erneut Richter im Fokus, als er gegen Enrico Neubert rettete (47.). Dann jubelten die 96er schon, als Steve Braun den Ball ins Tor der Gäste lupfte. Doch die Schiedsrichterin hatte zuvor ein Foul von Cramer gepfiffen - dabei hatten sich Geras Torwart und einer seiner Verteidiger gegenseitig behindert.
Nun muss der VfL 96 in Auerbach und Halberstadt zwei schwere Auswärtsaufgaben lösen. Dann kommt der VfB Pößneck nach Halle, ehe es zur Reserve des FC Erzgebirge Aue geht. "Wenn wir wieder soviel Leidenschaft in die Waagschale werfen, sehe ich uns nicht chancenlos", sagt Trainer Torsten Weber und bleibt optimistisch.
Quelle: http://www.mz-web.de
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